Kennt noch jemand MUMPS, das famose „Massachusetts General Hospital Utility Multi-Programming System“? Im Jahre 1986 wurde ich als EDV-Zivi in einem größeren Kreiskrankenhaus „angestellt“. Offiziell gab es natürlich keine Zivildienstleistenden in der EDV und so durfte ich erst einmal einen zweimonatigen Stationshelferlehrgang absolvieren. Weil ich da immer mit einer Diskette (aka Floppy-Disk) in der Brusttasche meines Kittels herumlief, hatte ich bei den Kollegen schnell meinen Spitznamen weg: „der Floppy“.
Nach der Stationszeit wurde ich dem Rechnungswesen zugewiesen, wo man mich mit dem „EDV-Problem“ des 600 Betten-Hauses konfrontierte: Es hieß MUMPS und lief auf einer DEC PDP-11, einem schrankhohen Ungetüm aus den 1970er Jahren. Das Riesenbaby hatte zwar gefühlte 84 Lüfter, aber keinen Bildschirm, sondern statt dessen Drucker und Tastatur als Benutzerschnittstelle. Man gab einen Befehl ein, der Drucker fing an zu rattern. Und wenn man Pech hatte, hörte er nicht mehr auf. Wer mit frisch bedrucktem Altpapier reich werden wollte, musste nur einmal „HELP ALL“ eingeben. Wahnsinn!
Von Seiten meines Dienstherrn hieß es: „Der ehemalige Programmierer sei weg und habe quasi nur das Listing der für das Haus adaptierten Software dagelassen. Und nun benötige man doch einige Anpassungen.“ Ich war total motiviert. So ein richtiger kleiner Traktor, auf dem ich fein in MUMPS programmieren durfte. Super, dachte ich. Aber nur, bis ich mir das 300 Seiten starke Listing angeschaut hatte.
Weil der Programmcode komplett in den eng bemessenen Speicher der PDP-11 passen musste, gab es praktisch keine Kommentare. Und die hunderten von Variablen, die teilweise auch noch MUMPS-typisch auf Datenbankfelder abgebildet wurden, trugen aufgrund der gebotenen Kürze sinnlose Buchstabenkombinationen wie QRZ, CUI oder schlicht AAA . Heute würde man vermuten, jemand hätte den Code absichtlich durch einen Obfuscator gejagt, aber das hier war wirklich das Rechnungswesen dieser sympathischen Kranken- und Heilanstalt. Kein Witz!
Ich scheue normalerweise nicht vor großen Aufgaben zurück, und auch nicht vor kleinen Spässen. Aber das war wirklich ein Himmelfahrtskommando, und ich wollte doch nicht in den Kriegsdienst. Programmierer weg, Software unwartbar. So ist das leider, wenn man nicht in die Pflege der Dokumentation (oder des Programmierers) investiert. Was sollte man da sagen?
Da ich diese Zusammenhänge auch anhand des Codes glaubhaft vortragen konnte, lieferte ich damit wohl das letzte Argument, alte Zöpfe abzuschneiden und innerhalb der nächsten Jahre auf ein neues EDV-System umzusteigen. Und da konnte ich meinem Dienstherrn dann doch noch wertvolle Hilfe leisten, weil ich die Verantwortlichen motivierte, nicht in eine zentralisierte Terminallösung zu investieren, sondern in vernetzte PCs. Das haben sie nie bereut.